Jetzt gibt es aber Aufklärung. Namhafte Wissenschaftler und Autoren wie Antonio Damasio („Descartes’ Irrtum“), Gérard Edelmann, Alain Berthoz oder Jean-Claude Ameisen erlauben es uns, diese Verbindung zwischen Psyche und Körper (Organmanifestation) zu verstehen.
Die neurologischen Bahnen sind von den zerebralen Zentren, wo eine mentale Vorstellung erscheint bis zu den peripheren Organen, die sie kontrollieren, bekannt. Sie verändern die Physiologie, die Biologie und die Morphologie, sehr wahrscheinlich über die Aktivation von Genen, die Zellmultiplikation oder Apoptose (Zelltod) auslösen.
In der Evolution (bei den niederen Säugetieren) sprechen wir von psychischen Funktionen in dem Moment, wo Vorstellungsbilder möglich werden. Dieses Phänomen ermöglicht es auch uns Menschen, die Vorstellung zu manipulieren an Stelle des Vorgestellten. Die Vorstellung ist also vor allen Dingen ein Ersatz für die äußere Realität. Wir können uns die Realität in ihrer Abwesenheit vorstellen.
Beispiel (Janet):Wenn wir einen Sessel sehen, denken wir, dass wir in diesem Augenblick keine Aktion ausführen, weil wir unbeweglich vor dem Sessel stehen bleiben, während wir ihn betrachten. Dies ist eine Illusion. In Wirklichkeit haben wir die charakteristische „Sessel-Aktion“ in uns, wir nennen das ein Wahrnehmungsschema. Hier: Uns auf eine ganz eigene Art in diesen Sessel setzen.
Das mentale Bild (die Vorstellung) ist die mentale Erinnerung an eine Wahrnehmung, die gespeichert wurde. Die Vorstellung vergegenwärtigt auf diese Weise diese – der Vergangenheit angehörende – Wahrnehmung.
Diese Vorstellung erlaubt es uns, unsere Aktion abzuwägen, zu präzisieren und über sie zu entscheiden. Jede ausgeführte Handlung bedarf also einer vorher stattgefundenen Vorstellung dieser Handlung. Es gibt aber umgekehrt sehr viele vorgestellte Aktionen, die nie ausgeführt werden.
Dieser mentale Vorgang geht – wenn auch in minimalem Maße – einher mit einer Aktivität der Körperteile, die an dieser vorgestellten Handlung beteilgt wären, würde man sie tatsächlich ausführen.
Beispiel (Jeannerod): Eine Versuchsperson, an feinste Messgeräte angeschlossen, muss eine bestimmte Distanz zu Fuß zurücklegen. Alle physiologischen Parameter werden gemessen (Muskelaktivität, Herzfrequenz, Atmung, Schwitzen …). Anschließend soll sie unbeweglich in Ruheposition bleiben und sich diese Bewegung nur vorstellen. Sie braucht mental exakt die gleiche Zeit wie für die reale Ausführung und minimale physiologische Veränderungen werden gemessen. Sie sind minimal aber identisch mit den vorherigen Veränderungen. Wenn man jetzt die Person auffordert, sich vorzustellen, mit einer schweren Last auf den Schultern dieselbe Strecke zurückzulegen, so ist die mentale Dauer dieser Aktion verlängert. Zusätzlich bewirkt diese vorgestellte („eingebildete“) Last stärkere Veränderungen der verschiedenen physiologischen Parameter (z.B. einen erhöhteren Puls), so als ob die Anstrengung wirklich größer wäre.